Win Schumacher journalist, fotograf, weltreisender alles wahre leben ist begegnung
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Juan Fernández-Archipel

Robinsons Erben

Ein Besuch bei Langustenfischern, Ziegenjägern, Bierbrauern und anderen Gestrandeten auf der Robinson-Crusoe-Insel im Südpazifik

Zuerst fliegen die Langusten!“ Die Dame von der Propellerfluggesellschaft versucht ein Lächeln, ohne dabei ihren resoluten Tonfall aufzugeben. „Heute ist leider wieder kein Platz in der Maschine!“ Teresa Maldonado ein gültiges Flugticket vorzulegen, auf dem die Abflugzeit 8:30 Uhr steht, hilft nichts. Die Languste hat Priorität. Auch wenn seit Tagen Menschen auf ihre Rückreise warten. Das Viech muss lebend in Santiago ankommen. Niemand will frühzeitig verstorbene Krustentiere zum Champagner. Teresa versucht es mit Hoffnung. „Wenn morgen das Wetter mitspielt, klappt es bestimmt“. Kein Betteln und Jammern kann sie umstimmen. Auch nicht der Fakt, dass in ein paar Stunden der internationale Heimflug Santiago verlässt. Der Vertröstete fühlt sich ein wenig wie ein im Kochwasser verendender Hummer.

Teresa Maldonado hat Mitleid mit den Kunden ihrer Fluggesellschaft. Sie ist es gewohnt, dass sie Gestrandete auf den nächsten oder übernächsten Tag verweisen muss. Und tut das mit aufrichtiger Anteilnahme. Manch einem bietet sie sogar eine Übernachtungsmöglichkeit in ihrer Holzhütte oberhalb des Hafens an. „Wenn es nicht stört, dass gerade nicht aufgeräumt ist.“

Willkommen auf Robinson Crusoe, Insel der Gestrandeten. Auch heute noch kann hier niemand genau sagen, wann er die Insel wieder verlassen wird. Feste Flugpläne gibt es nicht und wenn einmal nicht die Langusten die Sitzplätze im Flugzeug blockieren, zieht vielleicht gerade eine Schlechtwetterfront über das Eiland. Aber was sind schon zwei, drei Tage im Vergleich zu den vier Jahren und vier Monaten, die Anfang des 18. Jahrhunderts der schottische Seemann Alexander Selkirk hier festsaß? […]