Schräge Vögel, geheimnisvolle Grotten und eine sehr lebendige Kultur: Die kleine Antilleninsel Aruba will jenseits der Hotelmauern entdeckt werden
Das Eulenkind ist anscheinend noch nicht ganz wach. Zerknirscht blinzelt der Vogelnachwuchs in die ersten Sonnenstrahlen, die gerade durch das Mangrovendickicht auf seinen Höhleneingang fallen. Anders als bei den meisten seiner größeren Verwandten in aller Welt hat ein Kaninchenkauz auf Aruba auch morgens früh vor dem Bau zu stehen und nach Fressbarem Ausschau zu halten. Von wegen Nachteule! Eidechsen und Insekten werden mit dem ersten Tageslicht erst richtig munter. Also ist der komische Kauz auch am Tag aktiv und lässt sich von der karibischen Sonne wachküssen.
„Shocos sind die Lieblinge aller auf Aruba“, erklärt Jorge Zarraga, während er beobachtet, wie die kleine Eulenfamilie vor ihrem Bau an der Spanish Lagoon Spalier steht. „Wen können so süße Vögel schon nicht entzücken?“
Wie die Eulen ist auch der 42-jährige Naturführer gerne früh wach, um Touristen die Vogelwelt seiner Insel zu zeigen. Mit rund 250 registrierten Vögeln wurden auf Aruba annähernd halb so viele Arten wie in ganz Deutschland nachgewiesen, obwohl das Eiland kleiner ist als die Ostseeinsel Fehmarn. „Wegen der Nähe zur venezolanischen Küste haben wir hier sowohl karibische als auch südamerikanische Arten und viele Zugvögel“, erklärt der Guide. Zu den Favoriten der Vogelbeobachter gehören der schillernde Moskitokolibri, der prachtvolle Orangetrupial und der Braunwangensittich, der auf Aruba Prikichi genannt wird.
Die wenigsten Touristen gehen auf Aruba auf Vogelbeobachtungstour. Die meisten haben kaum eine Ahnung, dass es auf der am weitesten im Westen gelegenen Insel der Kleinen Antillen weit mehr zu tun gibt, als sich faul an einem der weißen Bilderbuchstrände zu aalen und sich abends in einem der zahlreichen Clubs und Bars von Palm Beach zu vergnügen. Wenn Zarraga sich kurz vor Sonnenaufgang auf seine Touren aufmacht, dürften viele soeben erst ihre Tiefschlafphase erreicht haben. […]