Win Schumacher journalist, fotograf, weltreisender alles wahre leben ist begegnung
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Lissabon

Die Welt als Treppenhaus

Im Lissabonner Stadtteil Mouraria sind es von Rio bis Goa nur ein paar Stufen

Da unten ist also die Sehnsucht geboren. Von oben betrachtet umgibt die Mouraria etwas Friedliches, fast Schläfriges. Gegen fünf Uhr am Nachmittag füllen sich die Cafétische auf der Aussichtsterrasse vor der Igreja da Graça. Die Lissabonner lieben den Platz im Pinienschatten über den Dächern der Stadt. Vom Atlantik her streicht ein kühler Wind über die Terrasse und reißt die Papierservietten von den Tischen. Während sich im Castelo und auf den Plätzen der Alfama das Sprachgewirr der Touristen ausbreitet, dominiert auf der Largo da Graça gemurmeltes Portugiesisch. Die Lissabonner nippen am Galão und blicken herab auf die Mouraria und in die Ferne zur Brücke des 25. April. Die Touristen zitieren ihre Reiseführer: Mouraria, Wiege des portugiesischen Sehnsuchtsgesangs, des Fado.

Ach, die Mouraria. Mit Plastikfolien gestopfte Ziegeldächer. Spinnennetze aus Wäscheleinen und Telefonkabeln. Gassen, kaum breiter als die Flügelspannweite einer Straßentaube. Sieht so ein Problemviertel aus der Vogelperspektive aus? Mit etwas Abstand betrachtet, von der Warte eines Aussichtscafés,  lässt es sich in Ruhe über die Probleme der Welt philosophieren. Wenn an den Cafétischen von den Problemen da unten die Rede ist, dann hört man viel von Drogenhandel und Armut. Und davon, dass der Fado, der einst auf den Treppenstufen des alten Maurenviertels geboren wurde, heute längst in die Touristenlokale der Alfama verschwunden ist. Die Lissabonner seufzen und bestellen noch einen Galão. Wenigstens von oben betrachtet hat die Mouraria etwas Nostalgisches. […]