Win Schumacher journalist, fotograf, weltreisender alles wahre leben ist begegnung
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Gauja-Nationalpark

Wilde Wälder, stiller Strom

Für die Lettische Schweiz brauchen Abenteurer keine Steigeisen. Eher kommen sie im Kanu und auf Moorschuhen zu den Höhepunkten im Gauja-Nationalpark, dem größten Schutzgebiet des Baltikums.

 

Die Fahrt beginnt mit einem blauen Wunder. Nahe am Ufer der Gauja gleitet das Kanu in eine Wolke aus saphirfarbenen Libellenflügeln. Der stille Fluss dient Abertausenden der liebeshungrigen Insekten als Bühne für ihr hektisches Balzgehabe. Das funkelnde Paarungssspiel bringt Farbe in eine Kanutour durch den lettischen Gauja-Nationalpark.

„Es muss ja nicht immer gleich ein Elch sein“, sagt Sigita Kletniece, während sie durch die Heerscharen der Blauflügel-Prachtlibellen steuert. „Im Kanu lernt man gerade über die kleinen Flussbewohner zu staunen.“ Die ruhigen Paddelschläge der 45-jährigen Naturführerin werden vom Rufen des Kuckucks, vom Geflüster der Meisen und dem Gezwitscher des Zilpzalps untermalt. Eine Gänsesäger-Mutter bringt ihre Kinderschar vor dem sich langsam nähernden Menschengefährt in Sicherheit. Schmetterlinge suchen auf Kletnieces tomatenrotem Kanu einen Landeplatz inmitten des Flusses.

Die Naturführerin unzählige Male auf der Gauja gepaddelt und strahlt doch so, als sei dies ihr allererster Ausflug mit dem Kanu. „Eins mit der Natur zu sein, ist hier einfach Lebensstil“, sagt die Lettin, „uns genügt der Wald, um wirklich abzuschalten.“

Auf dem längsten Strom Lettlands kann man tagelang mit dem Kanu unterwegs sein. Langeweile kommt dabei nicht auf. Dichte Mischwälder wechseln sich mit wilden Auenlandschaften und hellen Sandbänken ab, auf denen Flussuferläufer, Gebirgsstelzen, Stock- und Krickenten rasten. Von toten Ästen im Ufergestrüpp späen Eisvögel nach Beute. Mit etwas Glück können Paddler auch Biber oder sogar Fischotter beobachten. Die fotogenen, steil aufragenden Erglu-Sandsteinklippen im Urstromtal des Flusses mögen ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Region auch als Lettische Schweiz bezeichnet wird. Wirkliche Berge sucht man hier jedoch vergeblich. Die Hügel im Nationalpark ragen nur wenig mehr als 200 Höhenmeter auf. Der höchste Gipfel im Zentrum Lettlands ist gerade einmal 312 Meter hoch. […]