Win Schumacher journalist, fotograf, weltreisender alles wahre leben ist begegnung
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Kibbuzim

Eine Utopie wird Urgroßmutter

100 Jahre Kibbuzim

„Nichts ist mehr, wie es einmal war“, sagt Yizchak Lewy und blickt einen Augenblick lang stumm über den See Genezareth. „Nur der Jordan, der hier drüben anfängt, macht noch immer eine Kurve nach Süden. Und die Berge, der Golan, und da hinten, Jordanien, das sieht noch aus wie damals.“ Der alte Mann mit der Schildkappe steigt mühsam aus seinem moosgrünen Elektromobil. Mit zittrigen Schritten nähert er sich einem Gitterzaun. Über der Kibbuzgrenze wehen zwischen den blau-weißen Flaggen Israels übergroße Fahnen in knalligem Gelb, Orange und Violett. Durch das Gitter blickt Lewy auf die Teerstraße nach Tiberias. Dahinter liegt das blasse Blau des Sees zwischen den ockerbraunen Hängen des Golan und den sanft gewellten Hügeln Galiläas. Lewy kehrt langsam wieder zu seinem Golfcart zurück. „Die Häuser dort, die Straße, die Gärten – das alles gab es noch nicht, als ich das erste Mal hierher kam.“ Die Stimme des alten Mannes klingt dabei kein bisschen weinerlich. „Früher war ja alles besser“ – das gilt für den 82-jährigen keineswegs.

Auf der Flucht vor den Nazis kam Lewy mit gerade einmal 15 Jahren ohne Familienangehörige nach Palästina. Nach einer mehrjährigen Odyssee von Polen und Sibirien über Usbekistan, den Iran und Indien, gelang ihm die Einreise in das damals britische Mandatsgebiet. Die Mutter war in Samarkand zurückgeblieben. Sie schaffte erst 1948 die Flucht zu ihrem einzigen Jungen. Eine landwirtschaftliche Siedlung am Südufer des See Genezareth wurde zum Zufluchtsort der Lewys: Degania Alef, Israels ältester Kibbuz. […]