Auf der Seychellen-Insel North Island erholen sich Prinzen und Hollywood-Stars - und finanzieren ein Arche-Noah-Projekt
Als Brutus das Licht der Welt erblickte, war die Erde noch eine andere: Amerika war eine Nation der Indianerjäger und Sklavenhalter, Afrika noch auf dem Weg zum kolonialen Flickenteppich und die Antarktis gerade erst entdeckt. Auf der Weltkarte fehlten Johannesburg, Tel Aviv und Neu-Delhi; São Paulo, Singapur und Los Angeles waren Provinznester, die niemand interessierten. Telefone, Autos und Kinos kannte man damals noch nicht, noch nicht einmal die Schreibmaschine war erfunden. Als Brutus zur Welt kam, malte Cézanne noch romantisch, Wagner schrieb am Ring des Nibelungen und Heine starb in seiner Matratzengruft in Paris. Bismarck war seinerzeit noch nicht einmal Preußischer Ministerpräsident, Marx hatte noch nicht sein „Kapital“ verfasst und der Papst war noch nicht unfehlbar. Nach Brutus‘ Geburt stürzte sich die Welt in Kolonialismus, territoriale Konflikte und Kriege. Sie schien bald gar nicht genug bekommen zu können vom Erobern und Ausrotten und Blutvergießen. Und nichts blieb, wie es einmal war.
Doch Brutus tat in all den Jahren unbekümmert das, was er jeden Tag seit seiner Geburt und noch heute tut: Er schob mühsam seinen schweren Panzer über die Seychelleninsel North Island, graste gemächlich im Schatten von zerzausten Kokospalmen, sah die Sonne über dem Indischen Ozean aufgehen und untergehen und seine Welt blieb die gleiche. Was interessiert eine epochenalte Aldabra-Riesenschildkröte schon das Treiben auf irgendwelchen Kontinenten, die Hunderte oder gar Tausende Kilometer entfernt liegen? […]