Die Seychellen-Insel Moyenne liegt inmitten eines der ältesten Meeresschutzgebiete der Welt. Dass sie zum Rückzugsort für bedrohte Pflanzen und Tiere wurde, verdankt sie einem englischen Schriftsteller und seinem einheimischen Gefährten.
Der Riese blickt reglos und stumm ins blendende Aquamarin. Etwas da draußen auf dem Meer scheint sein Interesse geweckt zu haben. Sind es die Feenseeschwalben, deren blütenweißes Gefieder immer wieder aufblitzt, wenn sie ihre Pirouetten über dem Dschungel von Sainte Anne schlagen? Oder ist der Gigant einfach nur in Gedanken versunken?
Wenn die Riesenschildkröten von Moyenne sprechen könnten, was würden sie den Touristen erzählen? Fast täglich tauchen Grüppchen von Fremden auf ihrer Insel auf. Mancher grault den Tieren die zerfurchte Greisenhaut am Nacken. Ob ihre Geschichten zehn, fünfzig, hundert Jahre zurückreichen? Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Tiere ein erstaunliches Langzeitgedächtnis haben.
Vielleicht denkt das Exemplar, das gerade auf das Riff im Sainte-Anne-Marine-Nationalpark starrt, ein Fels von einem Tier, an den Augenblick als man es nach Moyenne verfrachtete. Womöglich erinnert die Riesenschildkröte sich noch an den sonnenverbrannten Engländer und seinen einheimischen Gefährten in ihren ausgebleichten Badeshorts?
Der Schriftsteller und Zeitungsredakteur Brendon Grimshaw kaufte die Insel Moyenne 1962 für 8000 britische Pfund. Er suchte auf dem Eiland nach einem Piratenschatz, den der legendäre französische Seeräuber La Buse hier versteckt haben soll. Mit dem Einheimischen René Antoine Lafortune fand der moderne Robinson seinen passenden Freitag. Die beiden pflanzten 16.000 Bäume auf der Insel und gründeten eine Riesenschildkröten-Kolonie, die heute mit mehr als 120 Tieren eine der größten der Seychellen ist. Wie genau der Schriftsteller und sein einheimischer Gefährte zu einem Zweigespann für die Renaturierung wurden und welcher Art ihre Beziehung war, die bis zum Tod Lafortunes im Jahr 2007 andauerte, lässt sein Buch weitgehend im Dunkeln. Seine Memoiren „Another Grain of Sand. The Story of Two Men and an Island“ ist Lafortune, „seinem Freitag“, gewidmet.
Aus der Idee, Moyenne Island zu kaufen und zu einem Rückzugsort bedrohter Pflanzen und Tiere zu machen, wurde das Lebenswerk der beiden Männer. Die BBC hat Moyenne Island in einem Artikel aus dem letzten Jahr als „kleinsten Nationalpark der Welt“ bezeichnet mit einem der dichtesten Vorkommen an Pflanzenarten der Erde. Sie ist heute Teil des Ste-Anne-Marine-National-Park, der in diesem Jahr als eines der ältesten Meeresreservate weltweit seinen 50. Geburtstag feiert. Die Insel erhielt allerdings auf Wunsch Grimshaws einen besonderen Schutzstatus, demnach sie – anders als die anderen im Schutzgebiet in Zukunft nicht mit einem Hotel bebaut werden darf. […]