Die Hauptstadt Madagaskars ist eine Metropole der Gegensätze
Antananarivo. Dreieinhalb Stunden nach Mitternacht. Wir sind gerade erst angekommen. Haben zwei Tage auf dem offenen Meer hinter uns. Zwei Sonnenuntergänge und einen Motorschaden zwischen La Réunion und der Roten Insel, dem Inselkontinent, dem Land der Geister und Lemuren – Madagaskar. Dann sieben Stunden mit dem Buschtaxi ins Landesinnere. Jetzt sitzen wir erschöpft und völlig übermüdet im Wohnzimmer einer malegassischen Familie. Ronzar, den wir auf dem Schiff kennengelernt haben, hat uns spontan eingeladen, den Rest der Nacht nach Ankunft des Taxis bei sich zu Hause in einem jener berüchtigten Außenbezirke der Hauptstadt zu verbringen. Er arbeitet als Gastarbeiter in Saint Louis und ist seit zwei Jahren nicht mehr zu Hause in Madagaskar gewesen.
Da sitze ich also mit vor Müdigkeit fast toten Augen zwischen Ronzars Geschwistern, die uns in verschlissenen Schlafanzügen willkommen heißen. Draußen haben sich die Straßenkinder, die Bettler und Ersatzteilhändler in ihre Löcher verkrochen. Die Nacht in Antananarivo ist bitter kalt.
Wir sitzen drinnen vor dem Fernseher, essen Bananen und warten, bis Ronzars Bruder die Digitalkamera an den Videorekorder angeschlossen hat, um noch vor Anbruch des Tages die Bilder zu begutachten, die der weitgereiste Sohn und Bruder aus La Réunion mitgebracht hat – aus Europa sozusagen. […]