Über vier Jahrhunderte wurden Millionen Sklaven aus Westafrika in die Neue Welt verschleppt. In Gambia, im Senegal und auf den Kapverden erinnern heute drei Eilande an ihr Schicksal
Ob sie ahnten, dass dieser Anblick das Ende der Freiheit bedeutete? Ob die Männer, Frauen und Kinder stumm auf ihr Schicksal zutrieben? Oder waren ihre Schreie bis zum fernen Flussufer zu hören? „Von diesem Eiland gab es kein Zurück“, sagt Lamin Trawally. Der Gambier begleitet eine Gruppe Touristen in einem bunten Nachen auf die Sklaveninsel Kunta Kinteh. Erbarmungslos brennt die Mittagssonne von einem fahlen Himmel, als der Kahn sich dem Inselchen nähert. Wie in Arnold Böcklins Gemälde „Die Toteninsel“ steht vorne ein Mann aufrecht im Nachen. Statt der Wipfel schwarzer Trauerzypressen überragen die kahlen Äste von mächtigen Baobab-Bäumen die Felswände des Eilands.
In Wahrheit sind es keine Felsen, die sich hier schroff aus dem Gambia-Fluss erheben. Die Scharten im Gestein sind auch keine Felsengräber wie auf dem Gemälde des symbolistischen Malers. Es sind Fenster einer alten Festungsruine. Einst trug sie den deutschen Namen Jakobsfort. „Es war ein Mann namens Jakob Kettler aus Kurland im heutigen Lettland, der das Fort im 17. Jahrhundert bauen ließ“, erklärt Trawally, als seine Gruppe auf die Flussinsel nahe der Mündung des gewaltigen Stroms zusteuert. „Er erkannte das Eiland als strategisch günstig gelegen für den Warenhandel in die Neue Welt“, sagt der 50-jährige Lokalhistoriker. Das Herzogtum Kurland und Semgallen war von 1654 bis 1689 das kleinste europäische Land, das am Gambia-Fluss und auf Tobago in der Karibik Kolonien betrieb. Wie bedeutend das Fort bereits unter den Deutschbalten für den bereits seinerzeit florierenden transatlantischen Sklavenhandel war, darüber gibt es wenige Überlieferungen. Fest steht, dass die Engländer, die das kurze Kolonialabenteuer des Herzogs von Kurland in Gambia jäh beendeten, die Festung als Zwischenstation für Sklaven nutzten, die über den Gambia-Fluss in die Neue Welt verschleppt wurden. Sie nannten die Jakobsinsel von nun an James Island. […]